Enterocolitis

  • Zwei bis drei Tage vor dem ersten Auftreten von Durchfällen Nachlassen der Futteraufnahme bis zur völligen Verweigerung
  • Aufblähen der Bauchregion
  • Wässriger Durchfall, der sich deutlich von der eher festeren Kotkonsistenz bei anderen mit Durchfällen verbundenen Erkrankungen wie Coccidiose oder Colibacillose unterscheidet
  • Zum Teil zeigen die Tiere abweichende Verhaltensmuster, z.B. Verbeißen in Stangen oder im Bodenrost des Käfigs
  • Plötzliches Verenden der betroffenen Tiere
  • Es werden vor allem abgesetzte Jungtiere betroffen, aber auch trächtige und säugende Häsinnen können befallen sein

Die Erkrankung greift auch sehr schnell auf die Rassekaninchenzucht über. Die schnelle Ausbreitung deutet auf einen „seuchenhaften Charakter“ hin. Ist ein Bestand einmal betroffen, so verbleiben der/die Erreger nach bisherigen Erkenntnissen in der Population. Die Verlustraten betragen in befallenen Beständen bei Jungtieren nach dem Absetzen im Alter von sieben bis acht Wochen 25 bis über 30 %, in besonders kritischen Fällen auch 50 % und mehr…..

Drei Ursachenkomplexe mit fatalen Folgen

1. Infektionen

Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen konnte noch kein spezieller alleinverantwortlicher Erreger ausgemacht werden. Nach Rossi (1999) wurden bei Tieren aus befallenen Beständen verschiedene pathogene E.coli-Serotypen (O 109, O 129, O 132, seltener O 103) isoliert. Daneben traten mehrere Clostridienarten auf. Dabei wurden am häufigsten C. spiroforme gefunden, aber auch Clostridien-Mischkulturen mit C. spiroforme, C. sardelli, C. perfringens Typ A und C. piliformis. Unterschiedlich häufig wurden auch Rotaviren nachgewiesen. Es wird von Fachleuten aber auch diskutiert, dass die Ursache für die Enterocolitis in einem noch nicht genau identifizierten Virus liegen kann, der das Abwehrsystem schwächt.Die klinischen Erscheinungen wie Durchfall und Aufblähungen sind von bakteriellen Sekundärinfektionen, u.a. mit den oben angegebenen Keimen, verursacht. In diesem Zusammenhang werden auch von einzelnen Experten die beim Schwein bekannten „Circoviren“ in Betracht gezogen. Der Beweis für eine Virusinfektion als Ursache der Erkrankung konnte aber bis heute nicht geführt werden.

2. Stressfaktoren

Äußere Stressfaktoren wie Klimawechsel, Umstallen, das Absetzen der Jungtiere von der Häsin aber auch Ausstellungen belasten die Widerstandskraft der Tiere und sind mitverantwortlich für ein Ansteigen des pH-Wertes im hinteren Dünndarm und im Blinddarm. So wird das Umfeld für die vorstehend genannten Schadbakterien weiter verbessert. Sie wandern aus dem Blinddarm und dem nährstoffarmen hinteren Bereich des Dünndarmes in den nährstoffreichen vorderen Teil. Auch hier kommt es dann zu einer weiteren sehr starken Vermehrung dieser schädlichen Keime.

3. Futter und Fütterung

Neben den bisher ermittelten bakteriellen Erregern und den beschriebenen Stresseinflüssen sind heute aufgrund der praktischen Erfahrungen vieler Kaninchenhalter im Bereich der Fütterung folgende, die klinischen Symptome begünstigende Faktoren bekannt:

  • Ein Mindestanteil unverdaulicher Ballaststoffe (u.a. Lignin) in der  Rohfaserfraktion (Empfehlung: bis zu zwei Drittel) bildet eine der wichtigsten  Grundlagen für eine funktionierende Blinddarmverdauung und den optimalen  Ablauf der sogenannten Caecotrophie („Blinddarmspeise“). Dies wird leider viel zu  häufig unterschätzt und ist nur durch die Auswahl entsprechender Komponenten  wie z.B. spezielle Grünmehle sicherzustellen. Nicht „besonders grün“ sondern  „besonders zusammengesetzt“ ist das richtige Auswahlkriterium für Grünmehle in  der Kaninchenfütterung!
  • Ungenügend in Magen und Dünndarm verdaute leichtlösliche Nährstofffraktionen,  vor allem Protein und Stärke, dienen im hinteren Dünndarmabschnitt und im  Blinddarm für die o.g. potentiellen Schadbakterien als hochverdauliche  Nahrungsbasis und begünstigen so deren explosionsartige Vermehrung.
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Sektionsbilder von an Enterocolitis verendeten Kaninchen. Auffallend sind die Aufgasungen, die im Zusammenhang mit festgestellten Clostridientypen gesehen werden.

Letztendlich muss aber festgehalten werden, dass europaweit bis heute kein umfassendes Wissen über die tatsächlichen Ursachen dieser Erkrankung vorliegt und die wichtigste Aufgabe in der Vorbeuge bzw. Behandlung der klinischen Symptome und damit der Verhinderung stark erhöhter Verlustquoten bei abgesetzten Jungtieren und auch Häsinnen besteht.

Bisherige praktische Vorbeuge- und Behandlungsmaßnahmen

Verschiedene Untersuchungen haben sich daher in den vergangenen Jahren mit möglichen Maßnahmen zur Behandlung bzw. Vorbeuge der Enterocolitis beschäftigt. Dabei wurde zunächst festgestellt, dass die Fütterung nicht Ursache der Erkrankung ist, allerdings bei unausgewogener Futterzusammensetzung (u.a. hohe Stärkegehalte von deutlich über 16 %, eingeschränkte Proteinverdaulichkeit im oberen Dünndarmdrittel, unzureichender Anteil unverdaulicher Ballaststoffe in der Rohfaserfraktion) die klinischen Symptome begünstigt werden können. Kaninchen in von der Erkrankung betroffenen Beständen haben aber durchaus weitergehend veränderte Ansprüche an die Fütterung. Hier wird in der Praxis zum einen immer wieder der positive Effekt einer deutlich erhöhten Versorgung mit Rohfaser dargestellt. Zum anderen wird ein erhöhter Anteil Weizen im Futter als problembegünstigend angesehen. Hier wird diskutiert, dass Kleberprotein aus Weizen unverdaut in den Dickdarm gelangt und dort insbesondere den Clostridien als hochverdauliche Nahrungsgrundlage zur Verfügung steht. Daher wird heute empfohlen, als Getreideart vornehmlich Gerste im Futter einzusetzen. Auch der Einsatz von Säuren wird als positiv diskutiert. Durch die direkte Ansäuerung des Verdauungsbreies werden der enzymatische Nährstoffabbau im Dünndarm verbessert und die Lebensbedingungen für potentielle bakterielle Schadkeime und in Untersuchungen auch immer wieder festgestellte Hefen verschlechtert. Hier kann vom Kaninchenhalter das Tränkwasser z.B. über Obstessig (praktische Erfahrung: 50 -100 ml auf 10 l Tränkewasser) angesäuert werden. Nur haben sich auch durch diese Ernährungsmaßnahmen in einzelnen Beständen die Probleme bis heute allenfalls leicht entschärfen lassen.

Außerdem wird immer wieder auf die große Bedeutung

  • einer ordnungsgemäßen Stallhygiene (regelmäßige Reinigung und Desinfektion)
  • der Bekämpfung von Schadnagern (Ratten, Mäuse) als potentielle  Erregerüberträger
  • des sofortigen Entfernen von erkrankten Tieren aus dem Bestand
  • möglichst keimarmer Nahrung

hingewiesen. Diese Hinweise sollten in jedem Kaninchenbestand beachtet und umgesetzt werden, denn sie sind eine der wichtigsten Grundlagen für die Wirksamkeit aller weiteren vorbeugenden Maßnahmen.

Die deutliche Verminderung des Verlustgeschehens und die Therapie der klinischen Symptome sind nach bisherigem Kenntnisstand nur durch den Einsatz von therapeutisch wirksamen Antibiotika über den betreuenden Tierarzt möglich. Dazu gibt es verschiedenste wissenschaftliche Untersuchungen sowie praktische Erfahrungen. So wird u.a. dem Antibiotika „Tiamutin“ eine positive Wirkung bei Enterocolitis zugeschrieben. Allerdings ist nach praktischen Erfahrungen der Erfolg nicht hundertprozentig und etwa zwei Wochen nach Absetzen des Medikamentes können die Probleme wieder in der gleichen Intensität wie vor der therapeutischen Behandlung auftreten. Dies veranlasst viele Kaninchenhalter bei der Dramatik der Erkrankung, solche Antibiotika kontinuierlich über sehr lange Zeit einzusetzen, was aus Kostengründen und aus Gründen der Resistenzbildung der Schadkeime gegenüber diesen Antibiotika sehr kritisch zu sehen ist. Daher ist die Frage nach alternativen Möglichkeiten, die Enterocolitis im Bestand beherrschbar zu machen, eine herausfordernde und wichtige Aufgabenstellung.

In diesem Zusammenhang muß die zentrale Bedeutung der Blinddarmverdauung und deren Ablauf im „physiologischen Normalbereich“ für die Gesunderhaltung des Kaninchens nochmals herausgestellt werden. Damit bakterielle Erreger wie Clostridien und E. coli, die im Zusammenhang mit der Enterocolitis diskutiert werden, möglichst „schlechte Lebensbedingungen“ im Blind- und auch Dünndarm vorfinden, ist neben der ausgewogenen Nährstoffzusammensetzung (auf unter 16 % begrenzter Stärkegehalt, 13 bis 17 % „Rohfaserfraktion“, hohe Proteinverdaulichkeit) die wichtigste Aufgabe der Ernährung, den „Blinddarm zu füttern“. Dies bedeutet, die dort vorhandenen anaeroben Bakterien gezielt zu unterstützen, so dass sie möglichst optimal kurzkettige Fettsäuren (Propionsäure, Essigsäure, Buttersäure) produzieren. Dadurch wird der pH-Wert im Blinddarm im Optimalbereich von ca. 6,5 stabilisiert. Auf diesem „indirekten Weg“ beugt man einer massiven Vermehrung der vorstehend genannten Schadkeime weitestgehend vor.